Die Aussage von Martin Schulz, beim Breitbandausbau liege Deutschland sogar hinter Mexiko und Chile stimmt bezogen auf den Glasfaserausbau, ist aber für die anderen Breitbandkategorien falsch und somit vereinfachend.
Martin Schulz verwies im #DeineWahl (Minute 38) am 05. September darauf, dass Deutschland beim Breitbandausbau „hinter Mexiko und Chile“ liege und somit in Sachen Digitalisierung keine Vorreiterrolle einnehme. Auch in der ARD-Wahlarena am 18. September sagte Martin Schulz, dass “im Breitbandausbau die Bundesrepublik hinter Chile und Mexiko” hinterherhinke. Dabei bezieht sich Schulz auf den Breitbandausbau durch Glasfaserkabel mit Übertragungsgeschwindigkeiten von über 100 MBit/s bis in den Gigabit/s-Bereich wie eine Anfrage an den SPD-Parteivorstand ergab.
Betrachtet man den Ausbau des Glasfasernetzes für die OECD-Staaten von Dezember 2016, so lässt sich feststellen, dass Deutschland mit 1,8 Prozent sowohl hinter Chile mit knapp 7 Prozent als auch hinter Mexiko mit gut 16 Prozent liegt. Bezogen auf den Ausbau für Glasfaserkabel stimmt die Aussage von Martin Schulz also. Allerdings werden unter Breitband Kanäle verstanden, welche Informationen und Daten mit hoher Übertragungsgeschwindigkeit weiterleiten. Die Internationale Fernmeldeunion (ITU) definiert hierbei bereits Übertragungsgeschwindigkeiten ab 2 Mbit/s als Breitbandkommunikation. Somit ist es vereinfachend, wenn sich Schulz in seiner Aussage lediglich auf den Ausbau mit Glasfaser und somit auf Übertragungsgeschwindigkeiten von über 100 MBit/s bezieht.
Gemäß einem aktuellen Bericht aus dem ersten Quartal 2017 der Firma Akamai zum „State of the Internet“ schneiden Chile sowie Mexiko sowohl bezüglich der Durchschnittsgeschwindigkeit (Chile: 9,3 (Platz 60 global); Mexiko: 7,5 (Platz 76 global); Deutschland 15,3 (Platz: 25 global)) als auch bei der Höchstgeschwindigkeit des Internet Transfers (Chile 65,5 (Platz 47 global); Mexiko 45,2 (Platz 87 global); Deutschland 65,6 (Platz 45 global)) schlechter ab als Deutschland – teilweise um mehr als die Hälfte (im Bericht Seite 24 und 34/35). In der globalen Erhebung werden hierfür 126 Länder und Regionen betrachtet und miteinander verglichen. Ähnliche Zahlen liefert auch eine Studie der OECD aus dem Jahr 2014.
Auch die Flächendeckung mit Breitbandanschlüssen ist in Deutschland in allen Breitband Kategorien höher als in Chile und Mexiko: Eine Übertragungsgeschwindigkeit von über 4 Mbit/s ist in Deutschland auf 90 Prozent der Fläche (Platz 36 global) gewährleistet, wobei Chile (Platz 68 global) und Mexiko (Platz 67 global) lediglich 78 Prozent Deckung aufweisen (Bericht S. 24 und 35).
Über 10 Mbit/s werden in Chile auf 30 Prozent der Fläche (Platz 55 global) und in Mexiko auf 19 Prozent der Fläche (Platz 65 global) erreicht. Deutschland hingegen weist eine Breitband Adoptionsrate von über 10 Mbit/s für 53 Prozent und somit Platz 30 in globaler Hinsicht auf. Noch deutlicher wird der Unterschied, betrachtet man die Übertragungsraten von über 15 Mbit/s: Hier liegt Chile mit 15 Prozent auf dem 50. Platz weltweit gesehen, Mexiko mit 6,1 Prozent auf dem 65. Platz und Deutschland mit 33 Prozent auf Platz 25 der Welt (Bericht S. 25 und 37).
Zudem konnte die Breitbandverfügbarkeit in Deutschland in allen Breitband Klassen für alle Technologien in den letzten sechs Jahren verbessert werden – insbesondere die hohen Breitband Klassen mit über 16 bzw. 50 Mbit/s verzeichneten hierbei Zuwächse von knapp 32 bzw. gut 91 Prozent. Zur Bewertung des Breitbandausbaus muss zudem auch die Verfügbarkeit nach Gemeindegrößen betrachtet werden. Hierfür liegen für Deutschland Zahlen aus dem Jahr 2016 vor. Bis zu einer Bandbreite von mindestens 6 Mbit/s weisen sowohl städtische als auch ländliche Regionen mit einer Prozentzahl von durchgehend über 90 Prozent Flächendeckung eine sehr gute Versorgung auf. Erst in den Breitband Klassen mit mindestens 16 Mbit/s fällt insbesondere der ländliche Raum zurück, wobei selbst dort noch über die Hälfte der Internetanschlüsse (51,9 Prozent) auf mindestens 30 MBit/s zurückgreifen kann (siehe Dokument, S. 4). Zudem ist LTE bereits in 96 Prozent der Haushalt in Deutschland verfügbar (S. 7).
Gleiche Tendenzen zeigen sich auch bei den Breitband-Internetanschlüssen je 100 Einwohner (Stand: 2015): Deutschland weist hierbei mit einem Wert von über 37 Anschlüssen eine doppelt so hohe Konnektivität auf wie Chile mit etwa 15 oder Mexiko mit knapp 12 Anschlüssen je 100 Einwohner auf.
Deutschland liegt in Sachen Breitbandausbau der Kategorien 4 bis 50 MBit/s im europäischen Vergleich nur im Mittelfeld, global gesehen aber sogar im oberen Drittel und somit in vielen Breitband Kategorien weit vor Chile und Mexiko. Lediglich im Bereich des Breitbandausbaus mit Glasfaserkabel und somit bei Geschwindigkeiten von über 100 MBit/s bis in den Gigabit/s-Bereich liegt Deutschland im Vergleich mit anderen OECD-Staaten auf dem nur sechs Plätze vor dem Schlusslicht Platz und somit auch hinter Chile und Mexiko.
Fazit: Die Aussage von Schulz, Deutschland liege beim Breitbandausbau hinter Chile und Mexiko stimmt für den Glasfaserausbau, ist aber wegen der Definition von Breitband vereinfachend. Der Ausbau des Breitband-Glasfaserkabels ist zwar in Chile und Mexiko weiter vorangeschritten als in Deutschland, allerdings liegt Deutschland sowohl in den durchschnittlichen Übertragungsgeschwindigkeiten als auch in der Konnektivität der Kategorien von 4 MBit/s bis 16 MBit/s teilweise sogar weit vor Chile und Mexiko.