Christian Lindner, FDP

» Damit der Wandel gelingt, braucht es mutige Unternehmer [...]. Aber eine erstklassige Infrastruktur wäre ebenfalls nötig, die Deutschland als eines der langsamsten Internetländer des Westens derzeit nicht besitzt.«

Vergleicht man die Inter­net­ge­schwin­dig­keit der west­li­chen Indus­trie­na­tio­nen, liegt Deutsch­land im Mittel­feld auf Platz 16 von 30. Im mobi­len Daten­funk liegt Deutsch­land mit einer durch­schnitt­li­chen Down­loadrate von etwa 24,1 Mega­bits pro Sekunde (MBps) sogar deut­lich über dem Mittel­wert von rund 14 MBps und damit auf Platz zwei. Die Bundes­re­pu­blik als eines der lang­sams­ten west­li­chen Inter­net­län­der zu bezeich­nen ist daher über­trie­ben und stimmt nicht.

Die Digi­ta­li­sie­rung aller Lebens­be­rei­che ist eines der großen Wahl­kampf­the­men. Martin Schulz und die SPD fordern ein digi­ta­les Bürger­amt, die CDU will mit einer Breit­band­of­fen­sive punk­ten. In einem Inter­view mit dem Handels­blatt mahnt FDP-Chef Chris­tian Lind­ner aller­dings an: „Damit der Wandel gelingt, braucht es eine erst­klas­sige Infra­struk­tur (…), die Deutsch­land als eines der lang­sams­ten Inter­net­län­der des Westens derzeit nicht besitzt.“ Stimmt das?

Was ist der der Westen“?

Der Begriff der „west­li­chen Welt ist diffus, es gibt keine klare Defi­ni­tion. Eine Abgren­zung, die inter­na­tio­nal gebräuch­lich ist, setzt den Westen mit den als Indus­trie­län­dern defi­nier­ten Staa­ten gleich. Hier finden sich viele Natio­nen, auf die auch die histo­ri­sche Defi­ni­tion des Begriffs passt, mit Ausnahme von Chile, Japan, Südko­rea und der Türkei. Die Indus­trie­staa­ten sind Mitglied in der OECD, der Orga­ni­sa­tion für wirt­schaft­li­che Zusam­men­ar­beit und Entwick­lung. Dieser Check orien­tiert sich an den Ländern der OECD. Einmal mit allen Staa­ten und einmal abzüg­lich der oben genann­ten Staa­ten.

Wie ist die Inter­net­ge­schwin­dig­keit in den OECD-Ländern?

Wir checken zwei Vari­an­ten: das kabel­ge­bun­dene Inter­net und das mobile Inter­net. Das US-Unter­neh­men Akamai legt jedes Quar­tal den „State of the Internet“-Bericht vor, der auch in den Berich­ten der OECD Verwen­dung findet. Die OECD selbst legte im Jahr 2014 einen eige­nen Bericht vor, der neben den Daten von Akamai noch Geschwin­dig­keits­in­di­ka­to­ren von zwei weite­ren Orga­ni­sa­tio­nen berück­sich­tigt und ähnli­che Plat­zie­run­gen ermit­telt hat. Gemes­sen an den durch­schnitt­li­chen Mega­bits pro Sekunde (MBps) liegt Deutsch­land mit 15,3 MBps hier welt­weit auf dem 25. Platz. Führend sind Südko­rea (28,6 MBps), Norwe­gen (23,5 MBps) und Schwe­den (22,5 MBps).

Im Vergleich mit allen OECD-Ländern liegt Deutsch­land auf Platz 17 von 34. Damit wäre Deutsch­land nicht eines der lang­sams­ten Inter­net­län­der des Westens“, sondern im Mittel­feld. Ähnlich ist es, wenn Südko­rea, Chile und Mexiko heraus­ge­rech­net werden. Deutsch­land wäre dann auf Platz 16 von 30. Das glei­che gilt für den Mittel­wert der Inter­net­ge­schwin­dig­keit. In beiden Fällen liegt Deutsch­land knapp über dem Mittel von 15,1 mbps (OECD-Länder ohne Südko­rea, Chile, Mexiko) und 15,25 (alle OCED-Länder). Zieht man in die Über­le­gung auch noch die mobi­len Daten ein, schnei­det Deutsch­land im inter­na­tio­na­len Vergleich noch besser ab. Dort liegt die Bundes­re­pu­blik mit einer durch­schnitt­li­chen Geschwin­dig­keit von 24,1 Mbps sogar auf dem zwei­ten Platz, direkt hinter Groß­bri­tan­nien.

Fazit: Vergleicht man die Inter­net­ge­schwin­dig­keit der west­li­chen Indus­trie­na­tio­nen, liegt Deutsch­land im Mittel­feld. Mit einer durch­schnitt­li­chen Über­tra­gungs­rate von 15,3 MBps ist Deutsch­land jedoch nichteines der lang­sams­ten Länder, sondern Platz 16 von 30. Im mobi­len Daten­funk liegt Deutsch­land mit einer durch­schnitt­li­chen Down­loadrate von etwa 24,1 MBps sogar deut­lich über dem Mittel­wert von rund 14 MBps und damit auf Platz zwei. Die Bundes­re­pu­blik als eines der lang­sams­ten west­li­chen Inter­net­län­der zu bezeich­nen ist daher über­trie­ben und stimmt nicht.


Info­box — Probleme der Begriffs­de­fi­ni­tion

Der histo­ri­sche Ursprung des Westens liegt in Mittel­eu­ropa, je nach Zeit­epo­che werden damit aber unter­schied­li­che Regio­nen und Vorstel­lun­gen verbun­den. Der Begriff beschreibt heute einen gemein­sa­men Werte­raum, der sich unter ande­rem durch Frei­heit, Demo­kra­tie, kapi­ta­lis­ti­sche Markt­wirt­schaft und Indi­vi­dua­lis­mus auszeich­net. Diese Werte haben gemein­same Ursprünge: dazu zählen das Chris­ten­tum, die protes­tan­ti­sche Ethik, die Aufklä­rung oder die fran­zö­si­sche Revo­lu­tion. Durch den Kolo­nia­lis­mus wurden die Werte weiter­ge­tra­gen, weshalb auch die USA, Austra­lien und Neusee­land zur west­li­chen Welt zählen. Trotz­dem vari­iert die Defi­ni­tion auch in der Moderne: Während des kalten Krie­ges grenzte sich die „west­li­che Welt“ gegen­über dem Ostblock ab, der Westen war somit teil­weise deckungs­gleich mit den NATO-Staa­ten. Die Auftei­lung wurde durch den Fall der Mauer obso­let, mitt­ler­weile können auch ehema­lige Ostblock­staa­ten zum Westen gezählt werden.

 


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Hauke Pfau

Autor: Hauke Pfau

Hauke ist der Gründer von stimmtdas.org. Er studiert Public Administration an der Universität Potsdam und arbeitet im Bereich Public Affairs in der Erneuerbaren Energien Branche in Berlin. Bei stimmtdas.org ist er für alle organisatorischen Fragen zuständig und ist Vorsitzender des Trägervereins stimmtdas e.V. Hauke schreibt unregelmäßig eigene Checks.

9 Gedanken zu „Wir sind eines der lang­sams­ten ‘Inter­net­län­der’ des Westens“

  1. Ich würde diese Analyse mit “Stimmt nicht und ist irre­füh­rend” bewer­ten. Die durch­schnitt­li­che Down­load­ge­schwin­dig­keit sagt nichts über die quali­tät bzw. quan­ti­tät der Infra­struk­tur aus. Es müsste die prozen­tuale Zahl an Bürgern mit zu lang­sa­mem Inter­net ermit­telt und mit ande­ren west­li­chen Ländern vergli­chen werden.
    Denn Inter­net­ge­schwin­dig­kei­ten von 500 mbit sind bereits möglich, aber nur in Groß­städ­ten. Da Deutsch­land ein sehr Urba­nes Land ist, gibt es viele solche Anschlüsse und sie sind kosten­güns­tig zu reali­sie­ren. Doch in Dörfern und im Stadt­äu­ße­ren gehö­ren Geschwin­dig­kei­ten von 1–6 mbit zum Stan­dart. Diese Anschlüsse sind das Problem, welches in Lind­ners Aussage gemeint ist. Doch Ihre Statis­tik verdeckt dieses Problem fast ideal.
    Die weni­gen High­speed-Leitun­gen von bis zu 500 mbit glei­chen die extrem lang­sa­men Leitun­gen von 1–6 mbit in Ihrer Statis­tik aus, womit eine gute Infra­struk­tur vorge­gau­kelt wird. Geben Sie sich bei Ihren Recher­chen nächs­tes mal etwas Mühe. Denken Sie wie unsere DSL-Anbie­ter: Quali­tät vor Quan­ti­tät.

    Das selbe trifft auf Mobil­funk zu. Dort ist das Verhält­nis von Geschwin­dig­keit und inklu­si­vem Daten­vo­lu­men wich­tig. (was nützen einem 100 mbit im Down­load, wenn nach 2 Minu­ten das Inklu­siv­vo­lu­men aufge­braucht ist und man mit 32 kbit weiter­surft?)

  2. Besten Dank für die gute Kritik! stimmtdas.org wurde von ehren­amt­li­chen Enga­gier­ten in ganz Deutsch­land reali­siert. Unsere Kommu­ni­ka­tion erfolgte größ­ten­teils per Skype, wir sind also beim Thema Inter­net leid gewohnt.

    Für unsere Checks zählen jedoch nur gene­ra­li­sier­bare Daten, nicht unsere nicht-reprä­sen­ta­ti­ven Erfah­run­gen. Diese Daten spre­chen beim Thema Inter­net­ge­schwin­dig­keit eine eindeu­tige Spra­che. Dass wir den Upload nicht darstel­len, liegt einfach an fehlen­den inter­na­tio­na­len Vergleichs­da­ten. Hätten wir diese Daten, würden sie auch berück­sich­ti­gen.

    Natür­lich könnte man das von Herrn Lind­ner genutzte Adjek­tiv „lang­sam“ auch anders inter­pre­tie­ren: wir sind eines der Inter­net­län­der, die am lang­sams­ten inves­tie­ren? Der Breit­band­aus­bau verläuft bei uns am lang­sams­ten? Ande­rer­seits versu­chen wir eben diese Inter­pre­ta­tio­nen zu vermei­den, denn führen die schnell zu einer Verfäl­schung der Aussage. Unser Ziel ist eine neutrale, fakten­ba­sierte Recher­che, ohne eigene Meinung und zu viele Inter­pre­ta­tio­nen. Zudem: Auch beim Thema Breit­band­aus­bau und Inves­ti­tio­nen muss die Aussage nicht unbe­dingt stim­men. Das war jedoch nicht Gegen­stand unse­res Checks.

    Wenn Sie weitere Zitate von Chris­tian Lind­ner kennen, die sich aufs Thema Breit­band­aus­bau, Inves­ti­tio­nen und Zukunfts­taug­lich­keit bezie­hen, checken wir die gerne! Schla­gen Sie uns einfach eine Aussage unter https://stimmtdas.org/check-einreichen/ vor.

  3. Herr Lind­ner spricht von einer “erstklassige(n) Infra­struk­tur (…), die Deutsch­land als eines der lang­sams­ten Inter­net­län­der des Westens derzeit nicht besitzt.” Sie bezie­hen Ihren Fakten­check auf die “durch­schnitt­li­chen Down­loadrate”. Schon dieser fiese Durch­schnitt kann Ihre Bewer­tung als falsch brand­mar­ken — jede bessere Einfüh­rung in Statis­tik sollte die Proble­ma­tik von Durch­schnitt und Median veran­schau­li­chen. Haben Sie unter­sucht, ob in Ballungs­räu­men der Netz­aus­bau zu so ekla­tant höhe­ren Down­loadra­ten führt, dass der Durch­schnitt verzerrt wird?
    Das zweite Problem ist, dass sie ledig­lich die Down­loadrate heran­zie­hen. Ist nur der Down­load Indi­ka­tor für “lang­sam”? Jeder ADSL Nutzer weiß, dass das anschauen (herun­ter­la­den) eines Videos rasend schnell gehen kann, aber das Über­tra­gen von ein paar Bildern für ein Foto­buch (Upload) eine abend­fül­lende Veran­stal­tung sein kann. Wo steht Deutsch­land da?
    Bezieht man nun auch noch den Aspekt der Infra­struk­tur ein, kommen noch weitere Möglich­kei­ten hinzu, was “schnell” und “lang­sam” ist. Haben Sie unter­sucht, mit welchen Tech­no­lo­gien die Inter­net­an­bin­dung reali­siert wird und wie zukunfts­fä­hig diese Tech­no­lo­gie ist (vgl auch den Kommen­tar von Herrn Münch bzgl. Glas­fa­ser­an­schlüs­sen).

    Sie schei­tern mit Ihrem Expe­ri­ment offen­bar schon an den Basics. Ein wenig drängt sich mir der Eindruck auf, dass Sie mit einer vorge­fer­tig­ten Meinung Beweise für diese Meinung gesucht haben.

    1. Stimmt­Das legt trans­pa­rent die Daten­grund­lage offen, wonach sie Lind­ners Aussage als falsch entlarvt. Ja, es ist proble­ma­tisch die durch­schnitt­li­che Down­load­ge­schwin­dig­kei­ten zu verglei­chen, aber sicher­lich besser, als sich alter­na­tive Fakten aus der Nase zu ziehen.
      Viel­leicht hat Lind­ner eine tolle Daten­grund­lage, die würde mich sehr inter­es­sie­ren, viel­leicht bezieht er sich aber auch nur auf die Anzahl der Glas­fa­ser­an­schlüsse in Deutsch­land — das wäre dann, u. a. wegen der Proble­ma­tik die Sie Beschrei­ben, eine noch schlech­tere Grund­lage.

    2. Sie sagen auch, dass Sie sich im Falle von Fehlern korri­gie­ren. Noch immer aber ist der völlig falsche Check zu Elek­tro­au­tos vorhan­den.

      Dazu solche “Umin­ter­pre­tie­run­gen” der Aussa­gen wie hier führen einen “Fakten­check” ins Absurde. Denn Sie verbrei­ten falsche Darstel­lun­gen über Aussa­gen bestimm­ter Poli­ti­ker.

      1. Hallo Joachim,
        frag­lich ist ja, wo wir “inter­pre­tie­ren”. Wenn wir nur gesag­tes checken, oder wenn wir Sach­ver­halte zum Zitat hinzu­neh­men, die aber nicht gesagt wurden. Ist es rich­tig, von “lang­sa­men Inter­net­län­der” auf “lang­same Inves­ti­tio­nen” zu schlie­ßen? Ist nicht gerade das die Inter­pre­ta­tion? Korrek­tu­ren stehen unter immer den Arti­keln. Gucke die Tage noch mal in den E‑Auto Arti­kel, aber u.U. teilt die Autorin nicht Ihre Meinung, der Arti­kel wäre “völlig falsch”.

        PS. Davon abge­se­hen: warum kommen­tie­ren sie eigent­lich immer mit unter­schied­li­chen Namen? Habe gerade entdeckt, dass die (wirk­lich fundierte) Kritik unter dem E‑Auto Arti­kel auch von Ihnen stammte. Habe ihre Punkte auf jeden Fall noch mal an die Autorin weiter­ge­lei­tet.

    3. Natür­lich ist der Durch­schnitt nicht unbe­dingt der beste Faktor um etwas fest­zu­stel­len, aller­dings ist dies eben meines Wissens nach auch einer der größ­ten Vorteile der skan­di­na­vi­schen Länder oder z.B. Süd-Koreas und Japan. Hier ist von der Infra­struk­tur ein großer Teil der Bevöl­ke­rung abge­deckt, wenn z.B. Stock­holm oder Seoul (Seoul alleine macht ca. 1/5 der gesam­ten süd-korea­ni­schen Bevöl­ke­rung aus, laut Wiki­pe­dia) spit­zen­mä­ßig versorgt sind.
      Wenn wir uns dage­gen in den Norden der skan­di­na­vi­schen Länder bege­ben, dann wird es sicher­lich auch hier keine gute Abde­ckung mit High­speed-Inter­net geben.

  4. Deutsch­land liegt bei schnel­len Inter­net­an­schlüs­sen (Glas­fa­ser­ka­bel) im euro­päi­schen Vergleich auf dem vorletz­ten Platz. Im Vergleich mit Nord­ame­rika, Japan, Austra­lien und Neusee­land mag es nicht ganz so drama­tisch sein, aber macht das Chris­tian Lind­ners Aussage falsch oder die Forde­rung der FDP nach schnel­le­rer Inter­net­in­fra­struk­tur?

    1. Hallo Herr Münch, natür­lich wünscht sich jede/r schnel­le­res Inter­net. Diese ehren­amt­li­che Projekt wurde größ­ten­teils per Skype reali­siert, wir sind beim Thema Inter­net also Leid gewohnt. Wir bewer­ten jedoch nicht die Forde­rung der FDP oder die Meinung von Herrn Lind­ner. Ziel von Fakten­checks ist es, neutral die Fakten zu Checken. Falsche Fakten soll­ten in der poli­ti­schen Debatte keine Verwen­dung finden, unab­hän­gig von der Rich­tig­keit der Forde­rung oder der eige­nen poli­ti­schen Meinung.

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